Die Rolle der Kommunikation in Beziehungen
„Du bist schuld!“ oder „Kannst du nicht einmal etwas richtig machen?“ hört man sie sagen, jene Paare oder einzelne Familienmitglieder, die auf der Suche nach einer für sie befriedigerenden oder ausgeglicheneren Beziehungsbasis sind. Doch was ist die Botschaft hinter diesen Sätzen? Geht es bei solchen Aussagen wirklich immer nur um das Verhalten des Gegenübers, das als vermeintlich störend empfunden wird und verändert werden sollte, um den persönlichen Entsprechungen gerecht zu werden? oder ist es doch auch möglich, dass die eigenen Strategien, wie an eine Sache herangegangen wird, oft unbewusst hinterfragt und nicht unbedingt immer als positiv empfunden werden? – Seine eigenen Schwächen bei seinem Gegenüber abzuladen, ist – ob wir es wollen oder nicht – oft Teil einer Beziehung. Vielleicht ist aber auch der sogenannte Ankläger als Kind selbst permanent kritisiert worden und trägt diese Verhaltensweisen unbewusst weiter.
Vermutlich ist es einfacher, Generalisierungen („das machst du i m m e r“) zu tätigen, anstatt zu versuchen, seine Gefühle und Beobachtungen dem Partner/ der Partnerin zu kommunizieren. Es wäre schließlich auch möglich, zu sagen: „Mir ist aufgefallen, dass du an gewisse Dinge anders herangehst, als ich. Ich würde mir wünschen, dass du einmal versuchst, eine andere Lösungsvariante zu finden.“
– Wenn es darum geht, einen wertschätzenden Umgang in einer möglichst lang anhaltenden Beziehung miteinander zu pflegen, so ist eine funktionierende Kommunikation unentbehrlich. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, wie das Instrument „Sprache“ benutzt wird: Ob ich als Partnerin, subjektiv denke, dass etwas so ist und nicht anders oder ob ich es weiß, ist ein großer Unterschied. Subjektiv wird stets vermutet, dass jede/r selbst im Recht ist und nicht der Partner/ die Partnerin. Jedoch macht eine Beziehung aus, dass man aus den verschiedenen Meinungen des Paares heraus versucht, „objektive Wahrheiten“ zu schaffen, so gut dies möglich ist.
Der Ausspruch von Martin Buber „Der Mensch wird am Du zum Ich“ ist an dieser Stelle sehr treffend, denn man kann als Einzelperson beinahe ausschließlich in Beziehungen wachsen – ganz egal ob in partnerschaftlichen, beruflichen oder familiären Beziehungen.
Der Inhalt dieses Textes soll sich mit der Frage beschäftigen, welche Muster es hinsichtlich der Kommunikation in Beziehungen gibt, welche sich immer und immer wiederholen. Die Frage nach Lösungsmöglichkeiten und Zugängen in Bezug auf Konflikte, welche im Rahmen von Paar- und Familienberatungen Thema sind, wird ebenso einen großen Teil des Textes ausmachen. Vorausgeschickt werden muss, dass diese beiden Fragen in Wechselwirkung miteinander stehen und somit auch teilweise ineinander übergehen. In diesem Beitrag geht es nicht um theoretische Begriffsbestimmungen sondern es wird ausschließlich auf die praktische Erfahrungsbasis innerhalb der Einzel-, Paar- bzw. Familienberatung zurückgegriffen.
Die Themenkreise rund um die Konflikte in einer Beziehung, die Rolle der Gesellschaftsnormen innerhalb der Beziehung sowie die Kommunikation als Bindeglied zwischen dem Denken und Handeln von Menschen weisen einen sehr starken Bezug zur Soziologie auf. Die wissenschaftliche Disziplin der Psychologie, wie auch der Pädagogik sind ebenso wichtig in Bezug auf diese Thematik , denn überall wo Menschen im Spiel sind und interagieren, stehen auch psychische, erzieherische, sowie soziale Strukturen und Prozesse im Vordergrund. In diesem Text geht es um Beziehungen an sich, wobei die Paarbeziehung im Speziellen herausgegriffen und beleuchtet werden soll.
Die Beziehungen in einem familialen System beispielsweise sind weitaus komplexer als innerpartnerschaftliche Differenzen, da mehrere Personen an einem Prozess beteiligt sind. In einer Familienberatung sind es auch meist die Konflikte zwischen dem Paar, welche ein auffälliges Verhalten beim Kind erst in Gang bringen. Sie dienen dem Nachwuchs als Vorbild und geben mit ihrem Verhalten die Richtung in der Familie an, in die es gehen sollte. Diese Beobachtungen stellen die Motivation dafür dar, den Fokus des Textes auf die partnerschaftliche Beziehung, zu setzen:
Zwei Menschen lernen sich kennen und im Optimalfall lieben.- Es scheint, als würde man die Beziehung mit der sprichwörtlichen rosaroten Brille betrachten und Aussagen wie „Er ist so niedlich, wenn er so vor sich hin schnarcht“ oder „Lieb ist sie schon, wenn sie immer so chaotisch ist und mich immer fragt, wo ihre Sachen sind!“ sind keine Seltenheit. Aber spätestens, wenn der Alltag einkehrt, wenn man sich gegenseitig beschnüffelt und Strukturen in der Beziehung geschaffen werden sollten, beschäftigt man sich mit dem Verhalten der Partnerin/ des Partners und somit automatisch mit der Frage, ob die eigenen Vorstellungen, wie jemand sein sollte, damit man möglichst lang miteinander auskommt mit den Vorstellungen seines Gegenübers konform gehen. Dabei geht es im Optimalfall nicht darum, jemanden ändern zu wollen, sondern es geht darum, seine eigenen Bedürfnisse leben zu können und dabei den Partner/ die Partnerin nicht zu verletzten, zu kränken oder einzuschränken.
Es ist eine tägliche Herausforderung, eine Balance zwischen den eigenen Wünschen und den Ansprüchen seine/s Liebste/n zu finden, doch jede Person, die bereits die möglichen Grenzen in der Beziehung ausgelotet hat, weiß jeden Tag ein Stückchen besser, wie der Partner/ die Partnerin tickt. In diesem Fall geht „Mann“ oder „Frau“ in die nächste Phase über: nennen wir sie „Phase der Persönlichkeit“: Je nachdem, wie eine Person gestrickt ist, ob sie schnell aufbrausend, ob sie gelassen, oder tolerant ist, wird jene mit Konflikten innerhalb der Beziehung umgehen. Oft ist erst in dieser Phase eine reale Einschätzung der Dinge möglich. Frau und Mann lassen beide ihre Masken fallen und zeigen, wer sie wirklich sind, präsentieren sich nicht mehr von ihrer Schokoladenseite und verlieren die Motivation, sich in enge Kleider zu quetschen oder jeden Tag das beste Aftershave aufzulegen. Es geht nun „an`s Eingemachte“ und es spaltet sich die Spreu vom Weizen.
Dies ist die Phase, in der viele Beziehungen in die Brüche gehen und in der auch das erste Mal der Satz: „Wir haben uns auseinandergelebt“ an Bedeutung gewinnen kann. Blenden wir an dieser Stelle den Fakt aus, dass natürlich jede/r am Anfang einen besonders guten Eindruck hinterlassen möchte, so drängt sich jedoch die Frage auf, was Mann und Frau oft von Anfang ihres Kennenlernens an gerne außer Acht lassen: Dinge beim Namen zu nennen, klar anzusprechen und ihre Bedürfnisse, ihre Vorstellungen zu konkretisieren. Es ist ein vielverbreiteter Glaube unter den einzelnen Paaren, seine/n Angebetete/n zu vergraulen oder zu verärgern, wenn sie ihm/ ihr reinen Wein einschenken. Auch wenn manche Personen – oft sind es Männer – von einem selbstbewussten Verhalten ein wenig eingeschüchtert sein können, so ist im Endeffekt der Respekt und die Achtung vor einem Menschen, der wertschätzend sagt, was er sich denkt, wesentlich höher als vor einem, der gerne „Honig um`s Maul schmiert“.
Es gibt sie auch, die Paare, die zwar anfangs schon miteinander kommunizieren, jedoch plötzlich vor einem Scherbenhaufen stehen und nur mehr Konflikte austragen: in diesem Fall ist häufig zu beobachten, dass es sich hier um Paare handelt, die sich schon länger in einer Beziehung befinden, die aber mit der Zeit verlernt haben, die Kommunikation auch zu pflegen. – Meist liegt der Grund für eine unachtsame Kommunikation darin, dass viele Verletzungen in der Partnerschaft vorangegangen sind. Übersieht Mann oder Frau den Punkt, an dem es spätestens an der Zeit gewesen wäre, dem Partner/ der Partnerin mitzuteilen, dass er/ sie beleidigt, übervorteilt, oder gekränkt wurde, so beginnt die Person, die eine Verletzung erfahren hat, im Unbewussten seinem Gegenüber mit Groll und im schlimmsten Fall sogar mit einem Gefühl wie Hass gegenüber zu treten.
Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Emotion der „Wut“ unbewusst immer ein Zeichen dafür ist, dass noch Gefühle für den Partner/ die Partnerin im Spiel sind. Wenn erst Empfindungen wie Gleichgültigkeit oder Resignation eintreten, so ist es auch in der Beratung schwer, die KlientInnen darin zu unterstützen, aus diesem Kreislauf wieder auszubrechen.
Wichtig ist es auch, dass KlientInnen beginnen, ihr Verhalten zu reflektieren nach dem Motto „Will ich das oder nicht?“ und sich darüber hinaus ihrer Selbstverantwortung bewusst werden: Wenn beispielsweise jemand, der sich über seinen Partner/ seine Partnerin ärgert sich nicht zu fragen beginnt, ob er/ sie denn aus der „Opferrolle“ aussteigen möchte sowie gegebenenfalls auch danach handelt (beispielsweise anhand klarer, authentischer Aussagen und Äußerungen in Bezug auf Erwartungen an die Beziehung), so wird der Partner/ die Partnerin auch keinen Anlass darin sehen, sein/ihr Verhalten zu ändern. Die Lebenssituation würde die „alte“ bleiben und der damit verbundene Frust auch.
„Beziehung“ ist überhaupt ein fortwährender Lern- bzw. Entwicklungsprozess, welcher stets dahingehed analysiert werden sollte, ob er positiv erlebt wird oder nicht. An dieser Stelle kommen die sogenannten „Glaubenssätze“ ins Spiel: wir alle haben vom Elternhaus, von LehrerInnen oder FreundInnen Werte mitbekommen, die wir entweder verfolgen oder negieren. Es können positive Glaubenssätze wie „Ich bin stark“, „Ich bin klug“, etc. sein, jedoch handelt es sich in vielen Fällen um negative Glaubenssätze, die sich tief in unserem Gehirn – ja sogar in unserer Persönlichkeit – verankert haben: von „Ich bin nichts wert“ bis zu „Ich bin dick“ oder „Ich bin ein Versager“ kommen einem als BeraterIn alle möglichen Sätze zu Ohren, welche KlientInnen äußern.
Wenn nun jemand biografisch mit diesen negativen Sätzen vorbelastet ist und ein Gegenüber hat, welches ihm/ ihr genau dasselbe Gefühl vermittelt, welches hinter so einem Satz steht, so werden negative Gedanken noch mehr verstärkt. Die „Opferrolle“ wird somit doppelt verinnerlicht.
Der Grund, weshalb Kränkungen entstehen, können vielfältig sein: einerseits kann demjenigen/ derjenigen, welche/r die Kränkung ausspricht, gar nicht bewusst sein, dass er jemanden verletzt (hat), andererseits kann eine Kränkung die Folge dessen sein, dass die Person, die jemanden kränkt, selbst einen negativen Glaubenssatz in sich trägt und Kränkungen ausspricht, um selbst nicht verletzt zu werden.
Fakt ist, dass wir nicht definitiv wahrnehmen können, was im Kopf des/ der andere/n vorgeht. Wir können von uns behaupten, etwas über jemanden zu denken, aber wirklich wissen tun wir etwas erst, wenn wir mit ihm/ ihr über eine Angelegenheit gesprochen haben. Selbst dann ist es – im Sinne des konstruktivistischen Ansatzes – möglich, dass man nicht alles so auffassen und interpretieren kann, wie es der/ die andere ursprünglich meint. Es ist jedoch möglich, durch ein Art „Reiz-Reaktions-Schema“ auszuprobieren, wie der Partner/ die Partnerin reagiert. Das bedeutet: Die Person A spricht mit seinem/ ihrem Gegenüber (Person B) und vergewissert sich im Anschluss bei Person B, ob sie/ ihn richtig verstanden hat. Dies könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen:“ Gehe ich recht in der Annahme, dass du mich gar nicht kränken wolltest, sondern dass du dich einfach nicht in meine Lage hineinversetzt hast und dadurch gar nicht daran gedacht hast, was dein Verhalten mit mir macht…“
– Zugegebenermaßen klingt diese Aussage recht „gewöhnungsbedürftig“ aber die KlientInnen, welche diesen Reiz setzen, erhalten von ihrem Gegenüber zusehends positive Resonanzen und konstruktive Antworten. So kann beispielsweise Veränderungsarbeit passieren. Es werden sogenannte „Du-Botschaften“ („Du tust dies und jenes…“) weggelassen und ersetzt durch „Ich-Botschaften“ („Ich beobachte, dass…“). Ermöglicht wird dies durch die Zugangsweise, dass sich das Gegenüber, das gekränkt hat, nicht gleich angegriffen fühlt, sondern Raum und Zeit erhält, zu agieren.
Sehr oft ist es auch im Zuge von Beratungen zu erleben, wie Paare mit Komplimenten oder „Feedback“ umgehen: Zwar fällt ihnen zumeist auf, was der/ die andere nicht in der Art und Weise erledigt, wie es möglicherweise erwünscht wird aber anderenfalls erwähnen diese kaum, wenn es etwas zu loben gibt. Wörter wie „danke“ oder „bitte“ und Sätze, wie „“schön, dass du das für mich gemacht hast“, sind schier aus der Mode geraten. Dabei sind es die Kleinigkeiten, die uns Menschen motivieren können. Ein einfacher Satz kann uns darin bestätigen, dass wir auch vieles richtig machen können.
Wenn wir versuchen, bei allem, was wir tun, auch daran zu denken, achtsam und wertschätzend mit dem Partner/ der Partnerin umzugehen, sowie das Gegenüber zu verstehen, so können wir Schritt für Schritt in eine neue Dimension eintauchen, die eine konstruktive Kommunikation möglich macht.- Kommunikation muss nicht immer gleich in verbaler Form stattfinden – sie beginnt schon im non-verbalen Bereich, dort, wo wir anfangen Gesten, Worte, und Gedanken des Partners/ der Partnerin einzuordnen. Wir haben nur verlernt, unserer prinzipiell vorhandenen Intuition zu folgen und diese auch anhand eines Gespräches dieser Intuition weiter nach zu gehen. Das ist der besagte Lernprozess in der Beziehung, den wir uns täglich vor Augen führen können, wenn wir denn bereit sind, ihn auch wirklich sehen zu wollen.